
Web-TV wird mit seinen unzähligen Gratisangeboten immer attraktiver für Nutzer. Mit der Popularität steigen auch die Forderungen nach einer einheitlichen Gebühr. Aber wie kann diese realisiert werden?
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Der Kunde ist König – und der König will unterhalten werden. Im Wettstreit um das attraktivste Angebot haben die Medienmacher einen neuen Markt entdeckt: Web-TV. Ob Nachrichten oder die letzte Folge von DSDS, wer möchte, kann sich alles im Internet anschauen, live oder auf Abruf. Und diese Dienste sind größtenteils kostenfrei für die Zuschauer. Aber ist es für die Anbieter überhaupt profitabel, alle Angebote gratis zur Verfügung zu stellen? Die Refinanzierung von Inhalten im herkömmlichen Rundfunk findet über Werbung, Pay-TV, Sponsoring oder Gebühren statt. Aber welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für Web-TV-Anbieter?
Alexander Schulz-Heyn, Präsident des Deutschen IPTV Verbandes, glaubt, dass ein allgemeingültiges Finanzierungsmodell unausweichlich ist: „Wir müssen darauf hinweisen, dass Inhalte wertvoll sind und auch bezahlt werden sollten.“ Dafür könnten, seiner Meinung nach, mehrere Lösungen in Betracht gezogen werden: „Man könnte einen Teil der GEZ verwenden, Kulturfördergelder heranziehen, die Telekommunikationsanbieter in die Pflicht nehmen oder sogar eine Art Kulturflatrate initiieren.“ Kulturflatrate meint in diesem Sinne eine Zwangszahlung aller Bürger, ähnlich der GEZ. Die Gelder könnten dann zur Förderung der Medienvielfalt und für die Gestaltung qualitativ hochwertiger Inhalte eingesetzt werden. Eine Finanzierung dieser Art würde vor allem kleinen und mittlständischen Web-TV-Anbietern zu Gute kommen.
Die Mediengruppe RTL schwört deshalb auf ihr eigenes Finanzierungssystem: ”Wir glauben an das werbefinanzierte und damit für Zuschauer kostenlose Angebot, flankiert von besonderen Services mit Mehrwert und exklusivem Content als Pay-Angebote“, erklärt Matthias Büchs, Bereichsleiter für Online, Mobile, Text und IPTV bei RTL interactive, die Philosophie von RTL. Seit Januar 2007 stellt die Mediengruppe RTL ihren Zuschauern auf rtl-now.rtl.de und voxnow.de große Teile der Programme der beiden Sender zur Verfügung – gratis, wie die Sendergruppe gerne betont.
„Über 90 Prozent der Video-on-Demand-Portale RTL Now und Vox Now sind werbefinanziert“, erklärt Matthias Büchs. 30 Tage stehen die Formate aus dem Tagesprogramm für die Zuschauer kostenlos bereit. Prime-Time-Formate können bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung im TV noch kostenfrei angeschaut werden. „Danach“, so Matthias Büchs „wandern die Formate ins Archiv und sind dort gegen Entgelt abrufbar.“ Zwischen 99 Cent und 2,99 Euro werden dann pro Abruf fällig. Ein profitables Konzept, das aufgeht, wie Büchs erklärt: ”Wir sehen hier einen deutlichen positiven Zuschauereffekt. Allein im Februar dieses Jahres konnten wir über 50 Millionen Abrufe professionell produzierter Videos erreichen. Die Zuschauer sind durchaus bereit, für exklusive Services und Inhalte zu bezahlen.“ Zahlungswillig sind Kunden aber nur in Ausnahmefällen. Die Zuschauer mit einer allgemeinen Kulturflatrate zu verpflichten, scheint daher wenig Erfolg versprechend. „Die Gratismentalität der Zuschauer ist durchaus ein großes Problem“, weiß auch Alexander Schulz-Heyn. Auch Matthias Büchs von RTL interactive warnt davor: „Man muss wenigstens jedem Einzelnen die Entscheidung darüber lassen, ob er die Angebote nutzen und bezahlen möchte.“
Die Verpflichtung zur Zahlung würde höchstwahrscheinlich einen gegenteiligen Effekt erzielen: nämlich die kostenfreie Bereitstellung von Web-Inhalten auf illegalem Weg. „Wir wollen die Zuschauer um keinen Preis in die Illegalität treiben“, versichert der Präsident des IPTV Verbandes „aber man muss einsehen, dass eine Kulturförderung gleich welcher Art notwendig ist, um die Qualität aufrecht zu erhalten.“
Neben dem Problem der Gratismentalität der Zuschauer gibt es noch eine weitere Schwierigkeit: die Medienunternehmen selbst. Denn bisher können die TV-Anbieter beliebig festlegen, welche Web-Formate kostenlos und welche gegen Entgelt verfügbar sind.
Mit der Einführung eines Finanzierungsmodelles würden die TVAnbieter nicht nur ihre Entscheidungskompetenz, sondern auch eine lukrative Einnahmequelle verlieren. Unbestritten birgt die Suche nach einem Finanzierungsmodell Konfliktpotenzial: Wer soll zahlen? Wofür sollen die Gelder eingesetzt werden und wie kann die Verteilung geregelt werden? Hitzige Debatten scheinen da unvermeidbar.